Das KulturerbeNetz.Berlin ist ein Zusammenschluss von Personen, Initiativen und Institutionen, die sich ehrenamtlich im Denkmalschutz engagieren. Im Rahmen des Denkmalsalons am 9.9.2018 im Roten Rathaus haben wir das KulturerbeNetz offiziell vorgestellt und ein Positionspapier mit 10 Forderungen an die Politik überreicht. Sie umschreiben Ziele und Leitlinien des Netzwerks.
Mit der Koalitionsvereinbarung 2016-2021 nehmen sich die drei Regierungsparteien vor, bürgerschaftliche Initiativen im Bereich der Denkmalpflege zu unterstützen. Die Berliner und Berlinerinnen engagieren sich seit Jahren mit Leidenschaft und Sachverstand für das herausragende baukulturelle Erbe der Stadt und zeigen dies durch ihr großes Interesse am jährlichen Tag des offenen Denkmals. Von diesem Engagement zeugen auch die bürgerschaftlichen Initiativen, von denen sich jetzt rund 30 zum KulturerbeNetz.Berlin zusammengeschlossen haben. Im Rahmen des feierlichen Denkmalsalons am 9. September 2018 im Roten Rathaus haben wir das KulturerbeNetz.Berlin offiziell vorgestellt und ein Positionspapier mit 10 Forderungen an die Politik präsentiert und übergeben. Hierbei übernahmen 10 Mitglieder jeweils die Patenschaft für eine der 10 Forderungen und machten deren Sinn und Nutzen am konkreten Objekt anschaulich.
Nachtrag: Der aktuelle, am 2. April 2023 vorgestellte Koalitionsvertrag der neuen CDU-SPD-Koaltion erfüllt uns hingegen mit Sorge, denn er enthält zahlreiche Passagen, die darauf schliessen lassen, dass der – jetzt wieder bei der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung angesiedelte – Denkmalschutz in seinen Kompetenzen zurückgestuft werden soll. Lesen Sie mehr in der Pressemeldung des KulturerbeNetz vom 24.4.2023
Die Forderungen lauten im Einzelnen
1: Verfassungsrang für Denkmalschutz
Denkmalschutz und Kulturerbeschutz muss Verfassungsrang erhalten
Der
Verfassungsrang für den Denkmalschutz hilft, Denkmale und Kulturgut
langfristig zu erhalten. Denkmale stiften Identität, sind lebendige
Erinnerung und machen Berlin zu dem einzigartigen Ort, den wir lieben.
Die Bewahrung dieser Kultur für nachfolgende Generationen ist
Verpflichtung und Privileg zugleich und muss im Fokus aller Akteure des
städtischen Denkens und Handelns stehen. Um die Rechtsposition
langfristig zu stärken, fordern wir ihre Aufnahme in die
Landesverfassung. Der steigende Verwertungsdruck aus der Grund-, Boden-
und Gebäudespekulation führt nicht nur zu potentiellen juristischen
Konflikten, sondern auch dazu, dass Denkmale oder denkmalwürdige Areale
privatisiert, umgenutzt, weitgehend entstellt oder gar abgerissen
werden sollen, um stattdessen neuen lukrativeren Nutzungen zu weichen.
Begründete Interessenkonflikte gibt es auch, wenn es etwa um die
Abwägung mit Natur- und Artenschutz, Energieeffizienz, Barrierefreiheit,
Datenschutz, Gebäudesicherheit, Verkehrsplanung oder auch Nutzer- und
Bewohnerinteressen im Kulturerbe geht. Treten die Konflikte offen
auf, sind oft nicht nur der Zivilgesellschaft, sondern auch den
Denkmalbehörden juristisch die Hände gebunden.
2: Klagerecht für Denkmalverbände
Verbandsklagerechts für Denkmalverbände einführen
Denkmalverbände
sollten ein Verbandsklagerecht erhalten. Für Situationen, Areale und
Objekte, die aus Sicht der Zivilgesellschaft bedroht sind, weil die
behördliche Denkmalpflege nicht hinreichend funktioniert und/oder
greift, sollte eine Ombudsstelle eingerichtet werden, die z.B. Routinen
und/oder Unterlassungen bei den Unteren Denkmalschutzbehörden prüft
und anmahnt bzw. eine unabhängige Moderation leistet.
3: Mitsprache in den Denkmalräten
Mitsprache organisieren − KulturerbeNetz.Berlin (KENB) soll im Landesdenkmalrat und Bezirksdenkmalräten vertreten sein
In
denkmalpflegerischen Konfliktfällen wird das
KulturerbeNetz.Berlinberatend miteinbezogen. Das
KulturerbeNetz.Berlinerhält zudem Sitz und Stimme im Landesdenkmalrat
und darf Vorschläge zur Inventarisierung von Denkmalen aller Gattungen
unterbreiten. Die Zusammenarbeit mit Initiativen der Zivilgesellschaft
ist fortan konstitutives Element Berliner Denkmalpolitik. Auf
Bezirksebene sollen Denkmalräte ähnlich dem Landesdenkmalrat aufgestellt
werden. Das KulturerbeNetz.Berlinerhält in jedem Bezirk Sitz und
Stimme im Bezirksdenkmalrat, der die Untere Denkmalschutzbehörde berät.
4. Engagement braucht Geld
Denkmalpflege von unten braucht Geld − KulturerbeNetz.Berlin soll mit finanzieller Förderung verstetigt werden
Für
Projekt- und Objektförderung müssen finanzielle Mittel vom Land Berlin
bereitgestellt werden. Denkmalpflegerisches Engagement von Initiativen
und Bürgervereinen braucht Geld zur Stärkung der partizipativen
Zivilgesellschaft. Hierfür ist im Haushalt eine Position
bereitzustellen, die ausschließlich der Umsetzung dieses
zivilgesellschaftlichen Engagements dient. Antragsverfahren sollten
verständlich gestaltet sein und Verwendungsnachweise für die zumeist
ehrenamtlich arbeitenden Initiativen vereinfacht werden. Berlin sollte
auf Landes- und Bezirksebene Raumangebote für Treffen von Vereinen und
Initiativen bieten. Das KulturerbeNetz.Berlin (KENB) hilft anderen
Vereinen und Bürgerinitiativen und berät ehrenamtlich. Das Netzwerk ist
Ansprechpartner und Initiator für neue Formate der öffentlichen
kulturellen Bildung und für Workshops, die sich an Bürgerinitiativen und
an Eigentümer richten. Für den Webauftritt hat das Netzwerk eine
Förderung erhalten. Auch die finanzielle Förderung für interne
Kommunikation, Webseitenpflege und Öffentlichkeitsarbeit des
KulturerbeNetz.Berlin sollte verstetigt werden.
5: Meldepflicht für Abrissanträge
Meldepflicht für Abrissanträge von Denkmalen mit sofortiger Veröffentlichungspflicht einführen
Das KulturerbeNetz.Berlin regt an, dass Abriss- und Umnutzungsanträge und/oder geplante Privatisierungen ehemals kommunaler Gebäude, Bestände und Areale einer Melde- oder Veröffentlichungspflicht unterliegen, so dass die Zivilgesellschaft Gelegenheit hat, bei drohendem Verlust von Kulturgütern zu intervenieren bzw. auch alternative Betriebsmodelle, Konzepte oder Gebote einzubringen. Ferner sollte eine Frist von einem Vierteljahr Pflicht sein, bevor Abbruchanträgen zugestimmt wird, um Kulturgut zu schützen. Mit gestärkten Unteren Denkmalbehörden und Bezirksbeiräten können so zukünftig Abrisse unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhindert werden.
6: Rote Liste veröffentlichen
Rote Liste gefährdeter Denkmale online stellen − Erstellen und Pflege als Aufgabe des LDA mit bürgerschaftlicher Unterstützung
Ein besonderes Anliegen des KENB KulturerbeNetz.Berlin gilt der Erarbeitung, Pflege und Veröffentlichung einer sogenannten Roten Liste bedrohter Berliner Baudenkmale und denkmalwürdiger Bausubstanz. Diese sollte vom Land digital erstellt, verwaltet und gepflegt werden. Für den Beginn der Roten Liste bietet das Netzwerk seine Mitarbeit und Expertise an. Zusätzlich könnte das Netzwerk Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Werbung der aktiven bürgerschaftlichen Mitarbeit beim Forum der bedrohten Denkmale verschiedener Bedrohungsstufen übernehmen und moderieren.
Die Veröffentlichung gefährdeter Denkmale und Anlagen soll die medial geführten Debatten informativ begleiten und unterfüttern, um so zu einer höheren Sensibilisierung für die Belange des Kulturgüterschutzes bei den unterschiedlichen Interessenvertretern, Eigentümern und Nutzern führen. Zusätzlich ist sie aber auch eine indirekte Werbung für die Erhaltung des reichhaltigen baukulturellen Erbe Berlins und das ihm innewohnende touristische und identitätsstiftende Potential. Im Denkmal-Forum kann diskutiert und informiert werden. Diese Plattform für die “Denkmalpflege von unten” sollte dem Landeskonservator unterstehen und sowohl von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des LDA als auch von der neuen Bürgerinformationsstelle betreut werden.
7: Denkmalbehörden stärken
Denkmalbehörden stärken − Personalengpässe in Landesdenkmalamt und Unteren Denkmalschutzbehörden der Bezirke beheben und so die Koalitionsvereinbarung einlösen
Die Pflege, Erforschung, Betreuung und Inventarisation der dichten Berliner Denkmallandschaft ist nur möglich, wenn amtliche Denkmalpflege und Denkmaleigentümer gleichermaßen verantwortungsvoll nach dem Denkmalschutzgesetz handeln. Hierfür sind gut ausgestattete Denkmalfachbehörden auf Landes- und Bezirksebenen elementar. Die personelle Besetzung der Stellen in den Unteren Denkmalschutzbehörden der Bezirke sowie die Ausstattung mit Sachmitteln und die Möglichkeit zur regelmäßigen Aus- und Weiterbildung muss noch in dieser Legislaturperiode deutlich verbessert werden, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und die Denkmalliste des Landes Berlin fortzuschreiben.
8: Beratungsstelle auf Landesebene
Bürgerinformationsstelle für Beratung und Denkmalanträge schaffen
Die Bürgerinformationsstelle der Denkmalpflege sollte als neue Position am LDA geschaffen werden und mit einem offenen Bürgerbüro niedrigschwellig erreichbar sein. Ehrenamtliches Engagement für Denkmale und baukulturelles Erbe soll gefördert werden. Künftig sollte diese bezirksübergreifende Bürgerinformationsstelle dazu dienen, Bürger, Denkmalinitiativen, Eigentümer und Architekten bei Fragen rund um den Denkmalschutz, Planungs- und Förderungsmöglichkeiten zu unterstützen. Vorschläge für die Unterschutzstellung und Eintragung auf der Denkmalliste könnten in der Anlaufstelle eingereicht werden, die dann zur Diskussion und Prüfung an die Mitarbeiter der Denkmalbehörden weitergeleitet werden können. Die Eintragung von Denkmalen aller Denkmalgattungen erfolgt nach § 4 (2) des Berliner Denkmalschutzgesetzes von Amts wegen oder auf Anregung des Verfügungsberechtigten. Denkmalinitiativen und Bürgervereine können und sollten die Denkmalfachbehörden bei der fachlichen Begutachtung unterstützen und zur fachlichen Expertise aufgefordert werden.
9: Innovative Fördermodelle
Innovative Fördermodelle prüfen und entwickeln
Wichtige Partner in der Denkmalpflege sind die Eigentümer*innen und/oder Nutzer*innen von Denkmalen jedweder Art. Sie sollten daher in der Erhaltung und Pflege angemessene Unterstützung und ggf. auch Qualifizierung erhalten. Das KulturerbeNetz.Berlinsteht als Moderator und Diskussionspartner unterstützend zur Seite. Zuschuss-Titel für Denkmaleigentümer sollten erhöht werden. Neue Fördermodelle für den innovativen Betrieb und/oder die Vermittlung von Kultur- und Denkmalthemen sind zu überprüfen. In begründeten Fällen und bei fachlich sehr gut erbrachten Restaurierungs- und Wiederherstellungsarbeiten sollte auch eine nachträgliche Förderung oder Beihilfe zu Betrieb und Unterhalt geprüft werden. Für Konfliktfälle zwischen typischen heutigen Nutzungsanforderungen und Bewahrung denkmalwerter Substanz sollen unter Einbeziehung von Experten und Vertretern zivilgesellschaftlicher Nutzergruppen rechtzeitig geeignete Modelllösungen entwickelt werden, z.B. für denkmalgerechte energetische Ertüchtigung einzelner Bauteile.
10: Europäische Vernetzung und Jugendarbeit
Die Politik des “European Cultural Heritage Year” 2018 (kurz: ECHY) verstetigen, Initiativen am Denkmaltag beteiligen und die Jugendarbeit fördern
Ohne Erinnerung keine Zukunft, oder anders gesagt: Kenntnisse über die Vergangenheit ermöglichen den konstruktiven Blick auf die Gegenwart und die Zukunft. Das KulturerbeNetz.Berlinbefürwortet daher die Fortführung und Durchführung europäischer Denkmalpflegeprogramme für ein Europa der Chancen und Gerechtigkeit, des Friedens und der verantwortungsbewussten Mitgestaltung seiner Bürger*innen. Insbesondere ist der Erhalt des gemeinsamen kulturellen Erbes und seiner Erforschung für den Zusammenhalt Europas so wichtig, um nationalistischen Bewegungen auch auf dieser Ebene begegnen zu können.
Wir fordern daher, dass sich das Land Berlin dafür stark macht, die ECHY-Programme fortzuführen und sich darüber hinaus auch für den grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch zivilgesellschaftlicher Denkmalinitiativen auf europäischer Ebene einzusetzen. Im Rahmen der Vorbereitung des Berliner Denkmaltages fördert das Land Berlin einen jährlich stattfindenden Netzwerktag und unterstützt das KulturerbeNetz.Berlin bei der Einladung und Durchführung hierzu. Die Förderung von Kinder-, Schul- und Jugendprojekten ist ein besonderes Anliegen des KulturerbeNetzes.Berlin. Das Netzwerk wird hier im Besonderen in die Ausgestaltung und Ideenfindung mit einbezogen.
Berlin, September 2018