Der LiMa Wohnhof Berlin – Eine Architektur der Partizipation
Status/Charakter: Wohnungsbau der IBA Neubau
Lage: Lindenstraße 82-84, Markgrafenstraße 5-8, 10969 Berlin-Kreuzberg
Baujahr: 1984 – 1986
Architekten: Herman Hertzberger (Amsterdam),
Kontaktarchitektinnen in Berlin: Hinrich und Inken Baller
Auszeichnungen: Erster Berliner Architekturpreis 1989
Besonderheit: Partizipation im Wohnungsbau
Denkmal-Status: Bau- und Gartendenkmal (Nr. 09097891 – 09097892)
Kontakt: Gabriella Sarges
Initiative: LiMa Wohnhof Berlin – Die Nachbarschaftsinitiative – climate initiative
Website: https://limawohnhofberlin.climateinitiative.de/
Der Lima Wohnhof mit seinen 48 Wohnungen, Hofgarten und Gärten rund um das Haus, ist eine Wohnanlage im Berliner Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg (Südliche Friedrichstadt). Er wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA 1987) von den Architekten Herman Hertzberger und Henk de Weijer zusammen mit den Kontaktarchitekten Inken und Hinrich Baller errichtet. Die IBA entschloss sich bei der Planung des LiMa Wohnhofs, für die Bebauung der landeseigenen Grundstücke zum ersten Mal einen Bauherrenwettbewerb auszuschreiben. Die Architektur des LiMa Wohnhofes zeichnet sich durch eine Funktionalität aus, die sich an die Bedürfnisse der Benutzerinnen anpasst und zugleich eine flexible nachhaltige Nutzung ermöglicht. („Polivalenz der Struktur“).
Selbstbaugenossenschaft
Im Januar 1984 erfolgte die Gründung der Selbstbaugenossenschaft (SBG Berlin eG.), die als Generalpächter gegenüber dem Bauherrn (Wohnbau Nord GmbH) fungierte. Die Selbstbaugenossenschaft wurde verstanden als „dritter Weg zwischen Eigentum und normalem Mietverhältnis, ein Experiment in sozial unsicheren Zeiten: „Wo überall die traditionellen Beziehungen in die Brüche gegangen sind, werden andere Formen von Gemeinschaftsleben umso wichtiger.“ (Baustein Nr.1 Mai 1988). Der Selbstbaugenossenschaft war es im Fall vom LiMa Wohnhof mit dem Konzept der „Muskelhypothek“ gelungen, einen nachhaltigen sozialen Wohnungsbau (Mietpreisbindung bis 2030) und eine starke Hausgemeinschaft zu schaffen.
Gemeinschaftsarbeiten
Die Bewohnerinnen wurden von Anbeginn an in den Ausbau und Gestaltung der Wohn- und Gartenanlage miteinbezogen. So wurde der Garten von Grund auf von den Bewohnerinnen der Anlage aufgebaut, gestaltet und gepflegt. Der Sandkasten wurde von den Bewohnerinnen entwickelt und das Mosaik, das den Spielkasten einfasst, als auch die Gehwegplatten, die zur hauseigenen Kita (Elterninitiativgründung der BewohnerInnen von LiMa) führen, wurden unter Anleitung von Akelei Hertzberger (Amsterdam) von den LiMa Bewohnerinnen hergestellt. Die Garten-Skulptur, die zugleich auch ein Wasserbrunnen ist, wurde von Frieda Ysebaert (Amsterdam) geschaffen.


Eine Architektur der „Zwischenräume
Gemeinschaftsarbeiten, Gemeinschaftsräume (300 qm), Selbstverwaltung, sowie die Architektur der „Zwischenräume“, nämlich die „abgestufte Differenzierung des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit auf dem Weg – Straße, Hof, Passage, Treppenhaus, zum Treppenhaus hin verglaster Windfang, Diele hinter einer weiteren Glastür, Wohnräume – findet ihre Entsprechung in den großen Balkonen (…) mit einem überdeckten, schwer einsehbaren Teil und einem offenen Bereich, von dem aus Gespräche mit den Nachbarn von nebenan, oben oder unten möglich sind“ (Inken Baller), all das zusammen zielte auf Offenheit, Nachbarschaft, Kontakt und Eigenverantwortung als Lebensprinzip.
Heutige Situation
Nach 40 Jahren ist der Gründungsgeist verflogen, die genossenschaftliche Bindung wurde 2010 aufgelöst und seit 2018 ist der Wohnhof Bestand der Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte (WBM). Der Wohnhof wird wie ein durchschnittliches Berliner Mietshaus verwaltet. Was das Gebäude angeht, sehen wir das Problem, dass durch die Eigentümer zu geringe Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt wurden bzw. werden. Wir fürchten, dass dies bei einer nun denkmalgeschützten Anlage entweder zu viel höheren Kosten in der Zukunft oder zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer führen könnte. (Abriss bei Instandhaltungsstau) Auch macht uns die denkmalgeschützte Gartenanlage Sorgen. Das Mosaik braucht dringend eine Konservierungsmaßnahme. Die Selbstbauerinnengärten erfordern gärtnerische Pflege und eine Bestandsauffrischung von Sträuchern und Bäumen, die klimaorientiert konzeptioniert ist. Auch eine Bewässerungssystematik muss diskutiert werden.
Gründung einer Nachbarschaftsinitiative
Die Nachbarschaftsinitiative hat sich aufgrund der zunehmenden Verwahrlosung des Hauses im Jahr 2016 gegründet. (Reinigung des Hauses, Pflege der Gärten) Wir begannen mit Führungen von Architekturinteressierten, um Aufmerksamkeit für das Haus zu bekommen. Im Jahr 2020 konnten wir den Denkmalschutz erwirken. Im Jahr 2022 begannen wir mit der Ergründung der Baugeschichte und führen seitdem Interviews (oral history) mit SelbstbauerInnen und Gründerinnen von LiMa. Es ist eine hauseigene kleine Architekturbibliothek und ein umfangreiches LiMa Archiv entstanden. Seit September 2023 ist die LiMa Wohnhof Initiative mit Informationen über die komplexe Bau-, Garten- und Architekturgeschichte von LiMa endlich auch online.


Wir entwickelten seit dem Jahr 2020 während der Pandemie auf dem Dach von LiMa eine Zitrusplantage mit 17 Bäumen, um auszutesten, wieweit man hier grün und resilienzorientiert, klimastabilisierend und biodivers wirtschaften kann. Wir konnten im Jahr 2024 über 15 kg Zitrusobst ernten. Wir ziehen auf dem Dach verschiedene Pfefferminzarten, mediterane Kräuter und Erdbeeren an. Wenn die Frage gestellt wird, ob die IBA 1987 mit ihren Schwerpunkten auf Nachbarschaft, Ökologie und Partizipation valide städtebauliche Konzepte vorweisen kann, die modellhaft für unsere zukünftigen Städte sein könnten, dann können wir dies für den LiMa Wohnhof aus der Erfahrung heraus eindeutig bejahen.
Wir setzen uns als Initiative für die Instandhaltung und Entwicklung der partizipatorischen Architektur nach den Vorgaben des Denkmalschutzes ein. Wir schließen uns dabei an die ideelle Konzeption und Philosophie der IBA an, beerben so unsere Vorläufer und entwickeln weiter. (Konzept der sozialen und grünen Stadthäuser). Wir fordern und fördern als Klima-Initiative für Bürgerinnen und Bürger in der Stadt Strukturen, die es ihnen ermöglichen, sich aktiv und konstruktiv gemeinsam mit den Herausforderungen des Klimawandels auseinanderzusetzen. Wir stehen ein für eine offene, demokratische und nachhaltige Lebens- und Wohnform im Zeitalter des Klimawandels.
Zur Sichtbarmachung der städtebaulichen Planung in Westberlin seit der Nachkriegszeit auf dem Block 30 und zum Schutz der Gebäudenachbarn von LiMa (Architekten: Werner Düttmann/AGP Architekten/Sigrid Kressmann-Zschach) stellten wir beim Landesdenkmalamt Berlin einen Antrag auf den Eintrag als Ensembledenkmal.
Derzeit befindet sich die Anbringung einer Informationstafel in Planung. Passend zur Bundestagswahl 2025 veröffentlichte die Initiative mit der Website climate-change-we-can-do-something.org zuletzt eine kleine Gebrauchsanweisung für ein nachhaltiges Leben im täglichen Hausgebrauch.
Kontakt
Gabriella Sarges , Markgrafenstraße 7, 10969 Berlin,
https://limawohnhofberlin.climateinitiative.de/ · nachbarschaftlimahof@web.de