Eine gute und eine schlechte Nachricht: Nur einer der beiden Berliner Vorschläge für weitere Berliner Welterbestätten hat es auf die nationale Tentativliste geschafft. Hier erfahren Sie mehr …
Foto: © Ben Buschfeld (Wiki-Commons BY-SA-NC)
Die Entscheidung der Kultusministerkonferenz (KMK) für die Erstellung der nationalen Vorschlagsliste möglicher neuer Welterbestätten ist gefallen. Einer der beiden Berliner Vorschläge hat die Hürde genommen, der andere nicht …
Die gute Nachricht aus Berliner Sicht:
Die „Waldsiedlung Zehlendorf“ (auch bekannt als „Onkel Toms Hütte“ oder „Papageiensiedlung“) wird als mögliche Erweiterung der bereits sechsteiligen UNESCO-Welterbestätte „Siedlungen der Berliner Moderne“ Eingang auf die deutsche Vorschlagsliste finden. Ob die UNESCO dem deutschen Vorschlag dann folgt, bleibt abzuwarten.
Die schlechte Nachricht für Berliner:
Der gemeinsame Eintrag der Ensembles von Karl-Marx-Allee (erster und zweiter Bauabschnitt) sowie den Bauten der Interbau 1957 (inkl. Corbusierhaus und Kongresshalle) wurde durch den internationalen Fachbeirat abgelehnt. Diese einzigartige Wechselspiel des Städtebaus der Nachkriegsjahre in einst in Ost und West geteilten Berlin wird also leider NICHT als Welterbe vorgeschlagen.
Auch viele Aktivist/innen aus dem Kreis des KulturerbeNetz hatten sich hier engagiert. Sie kommen u.a. auch in einem Video mit Statements zu Wort, die den besonderen Wert unterstreichen: https://www.youtube.com/watch?v=xTVxwlsClO4
Insgesamt wurden zwölf Vorschläge für die deutsche Tentativliste ausgewählt.
Informationen des Berliner Senats:
www.berlin.de/sen/kultgz/aktuelles/pressemitteilungen/2023/(…)
Information von der Pressestelle der KMK:
www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2023/2023_12_04-Tentativliste_Vorlage_2024_02_01.pdf
Website zu den „Siedlungen der Berliner Moderne“:
https://welterbe-siedlungen-berlin.de
Vorschlag Waldsiedlung Zehlendorf
Mit der Waldsiedlung Zehlendorf als Erweiterung der UNESCO-Welterbestätte „Siedlungen der Berliner Moderne“ konnte Berlin erfolgreich einen Vorschlag auf die nationale Tentativliste (Anmeldeliste) zur Aufnahme in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt setzen. Dieses Ergebnis hat die Kulturministerkonferenz nach ihrer Sitzung am 4. Dezember 2023 bekanntgegeben. Der Waldsiedlung wurde somit das Potential zum Welterbe anerkannt, mit dem sie zukünftig zu einer ausgewogenen und glaubwürdigen Welterbeliste beitragen könnte.
Vorschlag KMA und Interbau 1957
Das ebenfalls vom Land Berlin verfolgte Vorhaben, die Gebiete der Karl-Marx-Allee und der Interbau 1957 als UNESCO-Welterbe vorzuschlagen, war leider NICHT erfolgreich. Das ist aus Sicht des KulturerbeNetz.Berlin sehr bedauerlich, immerhin hatten sich hier nicht nur die beiden direkt betroffenen Vereinen, der Bürgerverein Hansaviertel sowie Stalinbauten e.V., sondern noch eine knappe Handvoll andere aktive Mitglieder des KulturerbeNetz.Berlin hier eingebracht und mehrfach aktiv für den Vorschlag geworben, etwa auch in das den Vorschlag begleitenden Video „KMA und Interbau 1957“.
Welche Vorschläge wurden ausgewählt
Die Waldsiedlung Zehlendorf ist eine von sieben Stätten, die ab Februar 2024 auf der erweiterten deutschen Tentativliste an die UNESCO-Kommission in Paris übermittelt werden. Als weitere Stätten schicke die Kultusministerkonferenz folgende Stätten ins Rennen: den Olympiapark in München, den Fernsehturm in Stuttgart, die Fundstätte der Schöninger Speere in Niedersachsen, das Pretziener Wehr in Sachsen-Anhalt sowie die internationalen Projekte „Europäische Großbogenbrücken des 19. Jahrhunderts“ sowie „Keltische Machtzentren der älteren Eisenzeit nordwestlich der Alpen“.
Die Kulturministerkonferenz folgt mit ihrem Beschluss dem Bericht des eigens von ihr eingesetzten internationalen Fachbeirats, der zu den insgesamt 21 Vorschlägen aus den Bundesländern Stellung genommen hat. Der Bericht soll in Kürze auf der Website der KMK abrufbar sein. Hier finden Sie einen Auszug mit der Begründung des Fachbeirats der KMK, warum der Vorschlag leider NICHT in die deutsche Tentativliste aufgenommen wurde, u.a. weil man gezielt versucht hat, Lücken zu füllen, also Vorschläge zu wählen, deren Themen und Typologie bislang noch stark unterrepräsentiert sind.
Zum Hintergrund
Die Auszeichnung als UNESCO-Welterbe setzt ein langjähriges und mehrstufiges Verfahren voraus. Das Verfahren für die Erweiterung der nationalen Tentativliste um neue Kandidaten für die Welterbeliste wurde in der Vergangenheit in Deutschland ca. alle 10 Jahre neu eröffnet. Am Tentativverfahren 2021-23 beteiligten sich fast alle Bundesländer. Der Berliner Senat hat am 6. Juli 2021 zwei Einreichungen für die deutsche Tentativliste beschlossen. Am 31. Oktober 2021 wurden beide Berliner Vorschläge eingereicht. Der jüngste Beschluss der Kulturministerkonferenz ist Voraussetzung für eine sorgfältige Ausarbeitung eines qualifizierten Dossiers zur Einreichung beim Welterbezentrum in Paris. Sollte das Dossier dann auf internationaler Ebene bestätigt werden, erfolgt die Nominierung als Welterbestätte
Erste Reaktionen aus der Berliner Politik und Verwaltung
Joe Chialo, Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt:
„Ich freue mich sehr, dass sich mit der Waldsiedlung Zehlendorf ein Berliner Vorschlag durchsetzen konnte und die Siedlung nun einen Schritt weiter ist auf dem Weg zur Listung als UNESCO-Welterbe. Die Bundesrepublik Deutschland ist bereits mit 52 Welterbestätten auf der Welterbeliste vertreten; davon liegen allein drei Stätten in Berlin. Für die Kulturministerkonferenz ist neben der Nominierung neuer Stätten auch der Schutz und Erhalt bereits anerkannter Welterbestätten von herausgehobener Bedeutung.
Die farbenfrohe Waldsiedlung, auch Papageiensiedlung genannt, soll als eine Erweiterung der bereits seit dem Jahr 2008 bestehenden Welterbestätte „Sechs Siedlungen der Berliner Moderne“ eingetragen werden. Sie würde als siebte Siedlung die weltweite Ausstrahlungskraft Berlins als innovatives Zeugnis des sozialen Wohnungsbaus mit höchstem ästhetisch-funktionalem Anspruch untermauern. Für den mittlerweile herausragenden Erhaltungszustand der Waldsiedlung gilt mein besonderer Dank dem unermüdlichen Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die um die Qualität und Besonderheit ihrer Siedlung ringen und die erfolgreiche Positionierung begleitet haben.“
Christian Gaebler, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen:
„Ich freue mich sehr über die Entscheidung. Die Aufnahme der Waldsiedlung Zehlendorf unterstreicht die wegweisende internationale Bedeutung, die Berlin auf dem Gebiet der modernen Stadtplanung und Architektur in den vergangenen Jahrzehnten eingenommen hat. Die Waldsiedlung ist ein herausragendes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau, das uns durch seinen wegweisenden Symbolcharakter auch heute noch inspiriert. Umso mehr bedaure ich angesichts der weltweiten Vorbildwirkung Berlins im Wohnungsbau, dass der zweite Berliner Vorschlag keinen Eingang auf die Tentativliste gefunden hat. Die großen Wohnensembles der Internationalen Bauausstellung 1957 und entlang der Karl-Marx-Allee sind gebaute Symbole des Berliner Wiederaufbaus in Ost und West und bilden eindrucksvoll die besondere Geschichte unserer ehemals geteilten Stadt ab. Heute stehen sie für ein gemeinsames bauliches Erbe, das in so konzentrierter Form nur in Berlin zu finden ist – das ist ein ganz besonderer Aspekt der Baugeschichte und Stadtentwicklung, der mehr Beachtung verdient.“
Patrick Steinhoff, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Steglitz-Zehlendorf
„Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf hatte in Kenntnis des besonderen architektonischen Stellenwertes bereits 2008 und erneut 2018 in seiner Bezirksverordnetenversammlung die Qualifizierung und Prüfung der Waldsiedlung als potentielles Welterbe beschlossen. Dass die Kulturministerkonferenz nun als ersten Schritt die Aufnahme in die nationale Tentativliste bestätigt hat, erfüllt uns mit großem Stolz.
Die Waldsiedlung ist gerade wegen ihrer architektonischen und freiraumplanerischen Qualitäten ein buntes lebendiges Viertel und soll es auch in Zukunft bleiben. Aufgeschlossene und aufmerksame Bürgerinnen und Bürger setzen sich seit Jahren dafür ein und haben entscheidend zur positiven Entwicklung beigetragen. Dieses Engagement begrüße ich außerordentlich. Dazu gehören auch die aktuellen Bestrebungen der Bewohnerschaft, die Waldsiedlung unter Berücksichtigung ihres besonderen kulturellen Werts energetisch einer modernen Zukunft zuzuführen.“
Dr. Christoph Rauhut, Landeskonservator
„Wir freuen uns sehr, dass mit der Aufnahme der Waldsiedlung Zehlendorf auf die nationale Tentativliste ein weiteres städtebauliches Denkmal der Berliner Moderne gewürdigt wird und damit die Chance bekommt, ebenbürtig und auf Augenhöhe mit den anderen sechs herausragenden Siedlungen Berlins zu stehen. Die positive Entwicklung der letzten 15 Jahre hat gezeigt, dass die Waldsiedlung schon jetzt „welterbeverdächtig“ ist.
Dass die Einzigartigkeit der Ensembles der Karl-Marx-Allee erster und zweiter Bauabschnitt und der Interbau 1957 nicht erkannt wurde, bedauere ich zutiefst. Für mich steht die herausragende Bedeutung dieser Denkmale außer Frage. Die Aktivitäten zur Qualifizierung der Gebiete werden daher auch weiterhin intensive Unterstützung durch das Landesdenkmalamt erfahren. Ich hoffe, dass wir für die Zukunft einen Weg zu finden, wie wir gemeinsam diesen bedeutsamen Gebieten der Berliner Baugeschichte zu einer dies würdigenden Anerkennung verhelfen können. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich bedanken bei den vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz in den vergangenen Jahren einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung dieser Quartiere geleistet haben“.